Veranstaltung: | KMV Europakapitel und Präambel zum STVV Wahlprogramm |
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Tagesordnungspunkt: | 2 Diskussion und Verabschiedung des Europakapitels zum STVV Wahlprogramm |
Antragsteller*in: | Kreisvorstand |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 14.01.2019, 10:12 |
A4: Europakapitels zum STVV Wahlprogramm
Text
Europa-Programm der Bremerhavener Grünen
I Wozu Europa? Wozu das Europäische Parlament?
"Frieden bedeutet, nicht seinen Pass zeigen zu müssen"
"Frieden bedeutet, nicht seinen Pass zeigen zu müssen". Der Satz stammt von
einem Ungarn jüdischen Glaubens, der nur dank eines Schweizer Schutzpasses in
Budapest den Holocaust überlebte.
Das Zitat illustriert das Wichtigste, was uns die Europäische Union (EU) bisher
sicherte: Frieden. Diesen Frieden zu erhalten, ist jedoch eine ständige
Herausforderung. Die Strukturen der EU helfen dabei, Konflikte zu lösen oder
mindestens zu entschärfen: Nordirland ist dafür nur ein Beispiel, neben vielen
anderen wie der Status Gibraltars, der Teilung Zyperns oder den Rechten der
Südschleswiger.
Von Schuman zum Euro: Wirtschaftliche Zusammenarbeit
Der Erhalt des Friedens ist eng gekoppelt an Europas wirtschaftliche
Verflechtung. In dieser Erkenntnis wurzeln die Ursprünge der Europäischen
Integration: Im "Schuman-Plan" von 1950 beschlossen Deutsche und Franzosen, nie
wieder um die Rohstoffe in ihrem Grenzgebiet gewaltsam zu kämpfen - sondern
gemeinsam davon zu profitieren.
Bis zur Einführung des Euro war es da noch ein langer Weg - aber eben auch ein
stringenter. Die immer engere wirtschaftliche Union folgt demselben Prinzip wie
dem des Schuman-Plans: Im fairen Wettbewerb profitieren alle von den vorhandenen
jeweiligen Stärken und eigene Schwächen können besser ausgeglichen werden.
Das Recht des Stärkeren? "Nie wieder!"
Es ist wichtig, dass alle Wettbewerbsregeln ständig streng überwacht und von
allen eingehalten werden. Zum Beispiel gilt das für Arbeitsrechte: Sie dürfen
nicht im Namen des europäischen Wettbewerbs abgebaut werden, sondern werden
dadurch erst gestärkt. Im Arbeitsleben, aber auch überall anders darf es nie
wieder heißen: Der Stärkere diktiert. Das ist auch einer der zentralen Gründe,
weshalb in der Europäischen Union alle Länder - große wie kleine - gleichermaßen
stimmberechtigt sind.
Dass Kontrollinstanzen wichtig sind, gilt natürlich genauso innerhalb der
Institutionen der Europäischen Union selbst - auch dort muss die Macht von den
Bürger*innen ausgehen. "Basis ist Boss", wie die GRÜNEN sagen. Das garantiert in
Europa das Europäische Parlament. Die Möglichkeiten der Abgeordneten sind in den
vergangenen Jahrzehnten immer umfangreicher geworden. Immer besser können sie
andere europäische Institutionen wie die Kommission und den Rat konstruktiv-
kritisch begleiten.
Deshalb ist es so wichtig, an der Wahl zum Europäischen Parlament teilzunehmen!
Die Europäische Union mag nicht perfekt sein - aber sie garantiert seit
Jahrzehnten ein friedliches Zusammenleben und wirtschaftliche Kooperation. Das
ist aber nur möglich, wenn alle Kontrollinstanzen gut funktionieren - wie das
Europäische Parlament.
II Bremerhaven und Europa
Indem wir die Union stärken, schaffen wir nicht nur die Rahmenbedingungen dafür,
dass auch zukünftige Generationen in Frieden aufwachsen können, sondern ganz
konkret ist europäische Politik für Bremerhaven von großer Bedeutung.
Bremerhaven ist für Europa wichtig, und Europa damit auch für Bremerhaven.
Der Hafen als Knotenpunkt europäischen Handels mit der Welt
Bremerhaven ist mit seinem Hafen ein Tor zur Welt. Unsere Stadt ist ein
europäischer Knotenpunkt weltweiter Handelsströme. Der Hafen Bremerhavens macht
das Land Bremen mit "hanseatisch", zu einem Inbegriff der weltoffenen
Handelskultur. Europäische Handelspolitik müssen wir also im Interesse
Bremerhavens weltoffen gestalten. Neue Zölle, Handelskriege und Restriktionen
schaden dem Hafen!
Im internationalen Wettbewerb müssen die gleichen Regeln für alle gelten: Wir
GRÜNEN setzen uns dafür ein, dass keine Hafenstadt nur durch Ausnutzung
internationaler Finanzregeln einen Standortvorteil erhalten kann. Steuerdumping
oder gar -betrug muss europaweit verhindert werden.
Außerdem muss der Hafen umweltverträglich arbeiten und umweltschonende
Schifffahrt fördern. Die CO2-Reduktion in der Schifffahrt beginnt in den Häfen
Europas schon mit der dafür nötigen Infrastruktur. Entsprechende Initiativen und
Regeln können nicht allein von Bremerhaven ausgehen, sondern hier muss von allen
Beteiligten international bzw. europäisch gedacht und gehandelt werden. Auch
deshalb brauchen wir eine starke grüne Vertretung gerade auch auf europäischer
Ebene.
Für den Pluralismus
Die weltoffene Handelskultur spiegelt sich im täglichen Leben in Bremerhaven
wider: Portugiesische Bäcker und isländische Freundesvereine sind zwei Beispiele
für eine gelebte und gelungene europäische Integration. So etwas muss erhalten
bleiben und darf nicht durch Grenzschließungen erschwert werden!
In den vergangenen Jahren haben die zahlreichen Konfliktherde der Welt die Zahl
der Asylsuchenden in Deutschland zeitweilig ansteigen lassen. Dabei ist deutlich
geworden, wie wichtig eine europäische Verständigung zur Lösung humanitärer
Probleme ist. Ein Staat bzw. eine Region kann solche Aufgaben nicht allein lösen
- weder Deutschland noch in anderen Ländern. Konflikte jedoch auszunutzen, um
eine eigene, vielfach sogar nationalistische und damit anti-europäische Agenda
voranzutreiben lehnen wir ab!
Wir sind für ein europäisches Einwanderungsgesetz, das legale Migration
ermöglicht, für ein einheitliches europäisches Asylsystem mit einem fairen und
solidarischen Verteilungsmechanismus, für die systematische Prüfung von
Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten in allen EU-Mitgliedstaaten, für eine
Stärkung der europäischen Demokratie durch eine weitere Stärkung des Parlaments
sowie größere Transparenz im Europäischen Rat.
Bremerhaven Fischtown
Fisch spielt in Bremerhaven eine große Rolle. Man kann nicht mehr wie früher
"die Abfahrt riechen", aber wer in Europa Fisch isst, kommt früher oder später
sehr wahrscheinlich mit Fisch in Kontakt, der in Bremerhaven verarbeitet worden
ist. Europäische Fischereipolitik ist deshalb für den Standort Bremerhaven
wichtig.
Wir GRÜNEN sind für eine Unterstützung wirklich nachhaltiger Fischerei, zum
Erhalt der Bestände und zugehöriger Wirtschaftszweige. Insbesondere der "Brexit"
darf weder dazu führen, dass diese Ziele unterwandert werden, noch dass die
deutsche Fischindustrie unter einer "Renationalisierung" von Fanggebieten und
Transportwegen leidet.
Internationale Forschung in Bremerhaven
Bremerhaven ist einer der wichtigsten Standorte für wissenschaftliche Forschung,
die die internationale Klima- und Umweltpolitik betrifft: Prominent treten dabei
hervor die Fischereiforschung (Thünen-Institut) sowie die Polar- und
Meeresforschung (Alfred-Wegener-Institut). Von Bremerhaven aus wird das Wissen
generiert, mit dem wir die Umweltveränderungen in den Meeren und an den Polen
mit all ihren Auswirkungen auf unser Ökosystem erst wirklich verstehen können.
Diese Forschung und die aus ihre abgeleiteten Maßnahmen können nur in
internationalen Verbünden und bei offenem Datenaustausch durchgeführt werden.
Deshalb sind wir für eine Förderung internationaler und vor allem ziviler
Forschungsprojekte auf europäischer Ebene.
Was für die prominentesten Forschungszweige gilt, ist ebenso für alle weiteren
wichtig: Angewandte Forschung in kleinen und mittleren Betrieben muss weiterhin
durch europäische Anreize unterstützt werden, wie dies bereits durch Public-
Private-Partnerships geschieht. Dadurch können auch kleinere Unternehmen noch
besser von europäischen Projekten - zum Beispiel im für Bremen wichtigen Bereich
der Luft- und Raumfahrt - profitieren. Auch deshalb plädieren wir dafür, das
Antragsverfahren für europäische Gelder weniger bürokratisch zu gestalten.
Wichtig ist uns zudem, dass europäisches Geld nicht nur zur Förderung der
Forschungsinfrastruktur eingesetzt wird, sondern auch zur Schaffung von
Forschungsstellen.
Wichtig ist, auch den personellen Austausch innerhalb Europas weiter zu stärken.
Das ERASMUS-Austauschprogramm ist dafür ein hervorragendes Beispiel.
Europäische Förderung regionaler Entwicklung und Bildung
Wir sind für ein Europa der Regionen und Kommunen. Bremerhaven profitiert
bereits an vielen Stellen von regionaler Förderung der Europäischen Union. Zum
Beispiel wäre die Neugestaltung des Fischereihafens sowohl im Hinblick auf die
dort ansässige Wirtschaft als auch das entstandenen kulturelle und touristische
Angebot ohne europäische Zuschüsse schwieriger gewesen. Ein aktuelles Beispiel
für die europäische Förderung kommunaler Entwicklung ist die Revitalisierung des
Kistner-Geländes.
Umweltschutz ist ebenfalls im internationalen Verbund besser möglich. Von
Bremerhaven aus wird zum Beispiel das europäisch finanzierte Projekt "Act Now!"
geleitet und koordiniert. 17 Partner aus acht europäischen Ländern arbeiten
dabei zusammen, um ihre Klimaeffizienz zu steigern. Zum Auftakt besuchten sie
das von uns GRÜNEN initiierte Klimastadtbüro in Bremerhaven.
Weitere Beispiele für europäische Unterstützung Bremerhavens sind Projekte der
Bremerhavener Wirtschaftsförderung (BIS), die Integration Langzeitarbeitsloser
in den Arbeitsmarkt über das LAZLO-Programm oder der Aufbau eines Studiengangs
an der Hochschule Bremerhaven für Mitarbeiter kleiner und mittelgroßer
Unternehmen der Offshore-Wind-Industrie im Rahmen des "Inn2Power"-Programms.
Wir GRÜNEN werden uns weiter um europäische Gelder für die regionale Entwicklung
bewerben. Die Erfahrung hierbei muss gehalten und ausgebaut werden. Wir wollen
auf europäischer Ebene dafür sorgen, dass Städte und Regionen wie Bremerhaven
sich weiterhin um europäische Gelder zur regionalen Entwicklung bewerben können.
Denn dass "regional" und "europäisch" kein Widerspruch ist, ist gerade für alle
diejenigen, die ein nationalistisch und zentralstaatlich geprägtes "Europa der
Vaterländer" propagieren, nicht selbstverständlich.
Europa: Stark präsent
Es ist wichtig, dass sowohl Bremerhaven in Europa als auch Europa in Bremerhaven
gut vertreten ist. Wir unterstützen die Arbeit der Bevollmächtigten des Landes
Bremen für Europa, bekennen uns zu einer Stärkung der bremischen
Landesvertretung in Brüssel und werden ihre Aktivitäten von Bremerhaven aus
tatkräftig unterstützen. Beispielsweise möchten wir die Teilnahme von
Vertreter*innen der Industrie, der Forschung und des gesellschaftlichen Lebens
in Bremerhaven an Veranstaltungen in Brüssel fördern.
Gleichzeitig halten wir es für wichtig, das Bewusstsein der Bedeutung
europäischer Politik für Bremerhaven zu stärken. Wir begrüßen den gut gepflegten
und ständig aktualisierten Europapunkt in der Volkshochschule in Bremerhaven -
aber Europa muss durch mehr als ein Regal mit Informationsheften in einem
Zwischengeschoss der Volkshochschule vertreten sein. Wir möchten, dass alle
Institutionen, die europäische Gelder in Anspruch nehmen, ebenfalls
Informationen der europäischen Institutionen einer interessierten Öffentlichkeit
zur Verfügung stellen. Denkbar sind zum Beispiel Informationsstände in den
Forschungsinstituten, in Betrieben des Fischereihafens und in den Bürgerzentren
des Magistrats, die grundsätzlich in den europäischen Amtssprachen zugänglich
sein müssen. Weiter setzen wir uns für die Weiterführung von Bildungsangeboten
wie dem "Europakoffer" oder der "Europawoche" ein.
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